36 Dinge, die man auf dem Prosanova-Literaturfestival tun kann

Im Sommer 2023 haben die im Wintersemester 2021/2022 gestarteten Studierenden des B.A. Kreatives Schreiben und Texten an der SOPA das Hildesheimer Literaturfestival Prosanova besucht. Auf ihrem Blog berichten sie von ihren Eindrücken.

Was man an Tag 1 tun kann

  • Sich eine Literaturmeditation anhören, die nicht im Entferntesten beruhigend ist, weil es um patriarchale Gewalt geht;
  • Halloumi-Rollen essen, in denen sich etwas befindet, das am Anfang lecker schmeckt und dann sehr schnell penetrant eklig wird;
  • Texte von alten, weißen Männern über dicke, nasse Glieder hören und sich davon in gleichem Maße einschläfern und verstören lassen; 
  • Über die Bedeutung leuchtender Würfel spekulieren, die herumgetragen werden;
  • Bis zum Ende des Festivals nicht klären können, wofür die leuchtenden Würfel gut waren;
  • Eine Grundsatzdiskussion über Traumata in Texten führen (wenn wir über eigene Erfahrungen sprechen, haben wir das Gefühl, bloß alle mit Dingen vollzujammern, die sie nicht interessieren. Wenn wir über etwas schreiben, das wir nicht erlebt haben, haben wir das Gefühl, dass es uns in unserer privilegierten Situation nicht zusteht, uns diese Traumata anzueignen);
  • Blumen in Waschbecken bewundern und sich fragen, wer sie gießt;
  • Sich von einer sympathischen, faszinierenden und begabten Autorin am Telefon etwas über Traumatisierung durch die Eltern erzählen lassen, dann aber aus irgendeinem Grund denken, man hätte versehentlich aufgelegt, nochmal anrufen und sich exakt dasselbe ein zweites Mal anhören;
  • Einen Tag lang in nassen Schuhen herumlaufen und danach krank werden;
  • Hunger auf Nudeln mit Pesto haben, diese Begierde äußern und auf verzweifelte Blicke und allgemeine Zustimmung treffen;
  • Klassenfahrtssehnsüchte ausleben (drei Leute im Bett, ein Leut auf dem Boden, ein Leut im Sessel, von den Lehrer*innen würden wir jetzt Ärger bekommen, weil wir so spät noch EIneN jUngEN auf unserem Zimmer haben).

Grandiose Ideen für Tag 2

  • Schuhe föhnen;
  • Absolut wissentlich und selbstverschuldet eine Stunde zu spät zu einem Workshop kommen;
  • In einem Raum mit 20 queeren FLINTA*s Kleidung zerschnippeln und sich Prosanova-Kappen mopsen;
  • In einer Stunde einen Text schreiben und ihn dann so leise vor vielen fremden und ein paar bekannten Leuten vorlesen, dass ihn nicht mal jemand versteht1;
  • Wenn man eh schon komplett fertig ist, noch einen Workshop dranhängen, bei dem man zwei Stunden am Stück schreiben muss;
  • Den ganzen Tag lang keine Notate machen (weil drei Workshops an einem Tag) und sich dann kacke fühlen, obwohl man eigentlich den ganzen Tag nur geschrieben (und Kleidung zerschnippelt und sich Karabiner umgehängt) hat;
  • Ich hab noch nie spielen;
  • Das Schloss einer Toilette kaputt machen (it wasn’t me!);
  • Auf einen Ochsen (oder Stier?) klettern;
  • Googlen, was der Unterschied zwischen einem Ochsen und einem Stier ist und sich dann selbst nicht zutrauen, dass man es richtig vorgelesen hat, erst recht nicht, wenn dann auch noch unerwartet ein Bulle ins Spiel kommt.

Ausklingen lässt man das Festival an Tag 3 am besten hiermit

  • Einen Lachkrampf wegen Klopapier bekommen (Übermüdung lässt grüßen);
  • Eine Dreiviertelstunde mit einer unfassbar talentierten 58-jährigen Lyrikerin auf dem Boden sitzen, die sich dann auch noch als zuvorkommend, reflektiert und moralisch auf einer Wellenlänger herausstellt;
  • Rosen angucken;
  • Rosen pflücken;
  • Mit Rosen wegrennen;
  • Auf den Moment warten, in dem das hysterische Lachen in einen kompletten Heulkrampf umschlagen wird;
  • Blumen für seine Freundin in einem Röhrchen mit Wasser im Zug von Hildesheim nach Berlin transportieren, wo es umkippt, sodass alles (Gang, Sitze, Hose) voller Wasser ist und das Röhrchen dann mit der Wasserflasche wieder auffüllen, wodurch der Boden nur noch nasser wird;
  • Sich dem Moment des kompletten Heulkrampfs immer weiter nähern;
  • Weinen.

Mehr dieser wundervollen Memes findet ihr übrigens auf meinem Instagram-Account.

Das hier geht eigentlich immer gut

  • Mit fremden Menschen reden, obwohl man das sonst nie (wirklich nie!!!) tut;
  • Bei Lichterketten-Schein auf dem Klo sitzen;
  • Sich einen besorgniserregenden Schlafmangel aufbauen;
  • Auf Papphockern sitzen (warum eigentlich nicht hocken? Ergibt das irgendeinen Sinn? Nein, tut es nicht);
  • Sich von den absolut dreisten und anstandslosen Hildesheimer Mücken zerstechen lassen;
  • Im Weg rumstehen.

Bonusmaterial:
22 Erkenntnisse, zu denen ich auf dem Prosanova 2023 gelangt bin

  • Der Kurs zum wissenschaftlichen Schreiben scheint Spuren hinterlassen zu haben (ich bekomme das Bedürfnis, hinter „Cafeteteria“ ein „[sic]“ zu kleben, bin noch unentschlossen, ob ich das gut oder schlecht finde);
  • V. würde das Geländer hier nicht sonderlich mögen, weil es nicht runterrutsch-tauglich ist;
  • Ich will von einem mittelalten Mann nichts über ein nasses, dickes Glied vorgelesen bekommen;
  • Ich studiere das Richtige;
  • Ich studiere das Richtige mit den richtigen Menschen;
  • Ich studiere das Richtige mit den richtigen Menschen in der richtigen Stadt;
  • Akuter Schlafmangel wirkt mindestens genauso gut wie Alkohol, wenn es darum geht, die Hemmungen zum Tanzen zu eher so semi-guter Musik zu überwinden;
  • Die Lichtundurchlässigkeit der Vorhänge in der Ferienwohnung ist beeindruckend, leider bringt das nicht viel, wenn die Vorhänge schmaler sind als die Fenster;
  • Meine Kommiliton*innen haben sehr interessante Schlafpositionen;
  • Je älter man wird, desto schwieriger wird es, sich bei Ich hab noch nie nicht komplett zu besaufen;
  • Wenn man sich nicht sicher ist, ob man etwas getan hat, sollte man einfach trinken, bevor man eine Diskussion startet und dann nicht nur alle wissen, dass man es getan hat, sondern auch was genau mit wem, wo, wann;
  • Man kann man mit Kreativ-Schreibenden nicht Ich hab noch nie spielen, ohne dass jede einzelne Frage auf der Wortebene komplett auseinandergepflückt wird („Was heißt absichtlich?“ „Nur nacheinander oder auch gleichzeitig?“ „Zählt auch heiße Quelle?“ „BUNGA BUNGA!!“);
  • Auf Ochsen sitzt es sich gut;
  • Ein Bulle und ein Stier sind das gleiche, ein Ochse hingegen hat keine Eier mehr;
  • Ich muss immer noch an dieses blöde nasse Glied denken;
  • Viele Zahnbürsten in einem Glas vermitteln ein Gefühl von Zuhause und Familie und Angekommensein;
  • Ich liebe liebe LIEBE Lyrik!!!!!
  • Man muss nicht immer sich selbst an die Gegebenheiten anpassen, wenn man auch die Gegebenheiten an sich selbst anpassen kann;
  • Kacken auf öffentlichen Toiletten verliert das Gefühl der Unanständigkeit, je öfter man es tut;
  • Übermüdete Zugfahrten eignen sich optimal, um endgültig zu klären, auf welchen Typ Frau frau steht;
  • Das nasse Glied will einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden.

  1. Zum Glück hatte Litradio ein gutes Aufnahmegerät …, nachzuhören ist der Text, den auf dem Festival wohl nur die Litradio-Person mit Kopfhörern verstanden hat, hier – ab Minute 24:50. ↩︎

Autorin: Juditha Lehmkuhl studiert Kreatives Schreiben und Texten an der SOPA (Berlin School of Popular Arts).

Titelbild und Beitragsbilder: Juditha Lehmkuhl

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