Daran denken Studierende, wenn es um das Studieren während einer Pandemie geht.
Ein Gespräch mit einem Kieler Studenten (Julius, 22), über den Einfluss, den Corona nicht nur auf sein Studium hat.
Lotta: Corona und Studium – was sind die ersten drei Wörter, die dir dazu einfallen?
Julius: Ich glaube, Stress ist das erste Wort, was mir dazu einfällt, Müdigkeit und Resilienz.
Lotta: Kannst du deine Wahl noch etwas genauer erklären?
Julius: Stress habe ich als erstes genommen, weil das ganze Studium, das Lesen von Texten, das Lernen, das Vorbereiten auf Unterrichtsinhalte durch die Online-Lehre für mich deutlich stressiger war als im Präsenzunterricht. Mir fällt es schwerer, mich online zu konzentrieren. Ich bin weniger effizient in meinen Abläufen, dadurch brauche ich mehr Zeit, die ich nicht habe, und das erzeugt Stress.
Lotta: Und wie kamst du auf Müdigkeit?
Julius: Weil Zoom Meetings und Online-Lehre super ermüdend und erschöpfend sein können, wenn du dich auf komplexe Inhalte konzentrieren musst. Das fällt mir Online schwerer, weil es gar kein richtiges Arbeitsumfeld ist, sondern dein persönlich-privater Bereich. Außerdem gibt es wenig Partizipation, Diskussion und generell fehlt die Bereitschaft, sich online auszutauschen. Das macht alles sehr zähflüssig und so ermüdend.
Lotta: Zuletzt hattest du Resilienz erwähnt …
Julius: … weil man in so einer stressigen und belastenden Phase probiert, widerstandsfähig zu sein und eine robuste Psyche aufzubauen. Damit man von diesen andern beiden Faktoren – Stress und Müdigkeit – nicht so sehr getroffen wird. Das wäre zumindest das Ideal, das ich mir gesetzt habe; Dinge trotzdem durchzuziehen, mir gewisse Abläufe und Routinen aufzubauen, gewisse Dinge zu tun, die der eigenen Psyche guttun. Aber das ist mir nicht immer gelungen.
Lotta: Du hast jetzt die psychische Situation selber schon erwähnt, hat die Pandemie denn Auswirkungen auf deine Psyche gehabt?
Julius: Das lange Isolieren, weniger soziale Kontakte haben, weniger die Möglichkeit haben, Dinge zu tun, die einem Spaß machen und die einen Ausgleich zum Unileben und eigenen Problemen darstellen. Das war das Problem, denke ich. Dieser fehlende Ausgleich hat eigene psychische Probleme verstärkt.
Lotta: Jetzt hast du soziale Aspekte angesprochen, die sich verändert haben. Was hat es denn da für Auswirkungen gegeben?
Julius: Ganz generell hat sich erstmal die Anzahl der sozialen Kontakte reduziert und deren Regelmäßigkeit. Aber dann hat sich auch die Form von sozialen Beziehungen verändert und damit ihre Qualität. Mein Sozialleben und meine Kontakte mit anderen Menschen wurden erstmal einfach weniger und dann auch weniger intensiv. Es gab weniger soziale Nähe und ich würde sagen, es ist alles ein bisschen kälter und einsamer geworden, ohne jetzt dramatisch klingen zu wollen.
Lotta: Du pendelst ja zwischen deinem Wohnort Kiel und deiner Heimatstadt Berlin. Hattest du dadurch manchmal das Gefühl, zwischen den Fronten zu sein? Viele Leute, die pendeln, haben beobachtet, dass sie sich dadurch überall weniger zu Hause gefühlt haben, weil sie so oft gewechselt sind und nirgendwo fester Bestandteil des Alltags von anderen Menschen waren.
Julius: Ich kann die Menschen, die so einen Standpunkt vertreten, auf jeden Fall verstehen. Wobei ich sagen muss, ich habe mich nicht zwischen den Fronten gefühlt, weil mein Tagesablauf in Berlin und Kiel vor allem durch das Online-Semester geprägt war. Ich habe das Pendeln eher als Ausgleich betrachtet und habe auch nicht das Gefühl gehabt, dass ich an einem Ort irgendwas verpasse, weil eben nichts passiert ist, weil alle Kontaktbeschränkungen unterlagen.
Lotta: Nun das ist mal eine der guten Seiten: das Alle-in-einem-Boot-Gefühl. Obwohl das ja auf Vieles bezogen gar nicht stimmt. Hat dich Corona in eine finanziell schwierige Lage gebracht?
Julius: Ich bekomme Bafög und mein Bafög-Amt in Schleswig-Holstein war anscheinend im Frühjahr 2021 und Ende 2020 durch die schiere Anzahl an Anträgen so überlastet, dass ich enorm lange auf die Bewilligung meines Bafög-Antrags warten musste und monatelang kein Geld bekommen habe. Ich musste von meinen Ersparnissen leben, ein bisschen von der Hilfe meiner Eltern und vom Kindergeld. Es hat ewig gedauert, bis das Bafög-Amt es geschafft hat, mir mal eine Nachzahlung zu geben und die Anträge zu bewilligen.
Lotta: Das klingt belastend. Eine generelle Frage: Hättest du deine Studienzeit anders geplant oder etwas anders gemacht, wenn du gewusst hättest, wie sich die Pandemie darauf auswirkt?
Julius: Ja, und zwar insofern, dass ich im ersten Pandemie-Semester deutlich mehr gemacht hätte, wenn ich gewusst hätte, wie lange das noch andauert. Ich habe es erst ein bisschen als Freizeit genommen und einfach weniger für die Uni gemacht, aber hätte ich gewusst, wie lange die Pandemie anhält und wie krass die Pandemie auch die Studienqualität verschlechtert, hätte ich mich in diesem ersten Pandemie-Semester viel mehr angestrengt und viel mehr Prüfungsleistungen erbracht. Was dann die Folge gehabt hätte, dass ich jetzt schon früher mit dem Studium fertig wäre.
Lotta: Gibt es da etwas, das man von außen hätte besser machen können, um den Problemen, die du genannt hast, ein bisschen entgegenzuwirken? Also von institutioneller Seite …
Julius: Alle Menschen, die Bafög beziehen, werden das kennen, dass man ab einem gewissen Semester einen Leistungsnachweis erbringen muss. Normalerweise wäre dies in der Regelstudienzeit nach dem vierten Semester fällig. Aber dadurch, dass die letzten beiden Semester eben aus der Regelstudienzeit rausgenommen wurden, verschiebt sich dieser Punkt, an dem du den Leistungsnachweis bringen musst und es war lange Zeit immer nicht klar, ob das laufende Semester dann auch aus der Regelstudienzeit rausgenommen wird. Das hat ein krasses Gefühl der Unsicherheit erzeugt und zusätzlichen Stress für viele Studierende, weil man nie wusste, an welchem Zeitpunkt man sich jetzt befindet und wie das jetzt weiterläuft.
Lotta: Du hättest du dir also gewünscht, dass da einfach früher klarere Ansagen im Zweifelsfall zugunsten der Studierenden gemacht worden wären?
Julius: Genau. Ein klares Kommunikationsmanagement seitens der Uni und der Regierung, ein klarer Zeitplan, wie es jetzt ablaufen wird und nicht immer wieder neue, spontane Entscheidungen, wären hilfreich gewesen.
Lotta: Wir haben jetzt viel über Negatives gesprochen, was auch zu erwarten war, aber zuletzt noch: Hast du aus Corona auch etwas Positives mitgenommen?
Julius: Was ich Gutes mitgenommen habe, ist die Fähigkeit, sich Zeit eigenständig einzuteilen und sich klarzumachen, wie lange brauche ich für die und die Aufgabe und wie kann ich meinen Tag irgendwie sinnvoll organisieren, damit ich das alles schaffe.
Lotta: Immerhin!
Das Interview wurde geführt von Lotta Voigt, Studentin des Studiengangs Kreatives Schreiben und Texten, und von Anna Kickartz, Studentin des Studiengangs Medienmanagement. Beide studieren an der SRH Berlin School of Popular Arts (SOPA).
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