ZIMMER 51 – TEIL 2

Die Autorin und Studentin des Studiengangs Kreatives Schreiben und Texten Larissa A. Jank präsentiert den zweiten Teil ihres Kurzprosatextes „ZIMMER 51

Verzweifelt versuchte ich mich an Peters vertrauten Augen zu klammern, um sie als Halt in dieser beängstigenden Situation zu haben. Es war das Erste gewesen, dass man uns bei unserem Einzug gesagt hatte: Die Zimmertüren mussten über die Nacht verschlossen sein. Dass diese Regel von den notorischen Musterschülern in diesem Internat nicht eingehalten wurde, war schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit. Also konnte es hier nicht mit rechten Dingen zugehen.
Peter blickte mich fragend an und erst als ich schwach nickte, öffnete er die Türe vor uns langsam. Wie erwartet lag auch dieser Raum in absoluter Dunkelheit.

„Hallo?“, fragte Peter zaghaft, während ich versuchte, meinen Atem so flach wie möglich zu halten.

Es war weder ein ruhiger Atem noch ein anderes Geräusch zu hören, welche die Anwesenheit einer Person verriet. Peter ging einige Schritte vor und blieb neben der Türöffnung stehen, während ich zögerlich neben ihm ebenfalls den Raum betrat und das Licht meiner Taschenlampe über die Bücherregale rechts von mir wandern ließ. Mein Bein stieß plötzlich gegen einen harten Widerstand, ich versuchte mich noch an irgendwas zu klammern oder mein Gleichgewicht wiederzufinden, prallte allerdings mit den Händen voraus auf den harten Boden, wobei die Taschenlampe ein paar Meter von mir wegrollte.

„Verdammte -“, fluchte ich und versuchte wieder aufzustehen, wobei ich etwas Feuchtes auf meinen Händen spürte.

„Alles in Ordnung?“, lachte Peter und ich hörte diesen kleinen Funken Spott aus seiner Stimme.

„Ja, ich bin nur über irgendwas gestolpert.“

Ziemlich ungeschickt stemmte ich mich ein klein wenig auf auf und griff nach meiner nun dunklen Taschenlampe, als ein Lichtkegel hinter mir erschien und somit die Umgebung um mich herum ein wenig erhellte. Meinen Blick auf den Boden gerichtet, gewöhnten sich meine Augen wieder an das Licht und konnten dieses unbekannte Nass um mich herum erkennen. Mein Mund wurde von einer Sekunde auf die andere staubtrocken, mein Herz drohte aus meiner Brust zu springen und schlug noch stärker als zuvor gegen meinen Brustkorb.
Ungläubig hob ich mit weit aufgerissenen Augen meine rechte Hand und drehte sie im Schein der Taschenlampe, was aber nichts an der Tatsache änderte. Die Flüssigkeit rann über meine Handfläche und tropfte langsam zu Boden, von wo sie hergekommen war. Die Quelle wollte ich gar nicht ausfindig machen, ich hatte zu viel Angst davor.

„Soph, dreh dich jetzt nicht um und bleib ganz ruhig“,  hörte ich Peters leicht zitternde Stimme hinter mir.

Ruhig!? Wie sollte ich jetzt bitte noch ruhig bleiben? Ich kniete in einer Blutlache und hatte den Großteil davon schon auf meiner Kleidung oder meinen Händen.

„Peter, bitte … bitte sag mir, dass da jemand einen Eimer Farbe umgekippt hat“, flehte ich und begann vorsichtig aufzustehen.

Eine Hand umschloss meinen rechten Oberarm und Peter zog mich sanft zu sich. Der Ausdruck in seinem Gesicht war eine Mischung aus Horror und Angst. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er schwenkte das Licht auf meine Hände, die komplett mit Blut überzogen waren. Die Flüssigkeit glänzte im Licht, während immer wieder Tropfen zu Boden fielen.

„Was zur Hölle ist hier los?“, flüsterte ich panisch und fühlte, wie sich meine Augen vor lauter Entsetzen mit Tränen zu füllen begannen.

Jedoch bekam ich keine Antwort von meinem besten Freund. Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet, das Entsetzen wurde in seinen Augen widergespiegelt. Automatisch drehte ich mich um und senkte mein Blickfeld ebenfalls auf den Boden. Mein Magen rebellierte und ich hatte das Gefühl, mein Herz auskotzen zu müssen. Mit einem unterdrückten Schrei schlug ich reflexartig die Hände vor den Mund, wobei ich die nasse Kälte des Blutes nun auch auf meinem Gesicht spürte.

„Was passiert hier Peter?“, presste ich mit brüchiger Stimme hervor.

Angsterfüllt blickte ich zu meinem besten Freund, welcher aber ganz offensichtlich genauso wenig wie ich wusste, was für ein Spielchen hier gespielt wurde. Verzweifelt wandte sich Peter mir zu und griff nach meinen Händen, die im Schein der Taschenlampe noch immer blutrot glänzten. Meinen Blick konnte ich allerdings nicht von dem Grauen vor mir lösen. Meine Hände waren mit Blut getränkt, das Blut eines unschuldigen Menschen, der grundlos und grausam gestorben war.

„Wir müssen hier raus, Sophie. Sofort!“

* * * * *

Den Beginn verpasst? Hier gehts zum ersten Teil der Kurzgeschichte!

Autorin: Larissa A. Jank studiert Kreatives Schreiben und Texten in Berlin an der SOPA (Berlin School of Popular Arts)

Titelbild from Larissa A. Jank (@neptun_vii)

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