Lautes Rattern, Schnaufen, Stöhnen, die U-Bahn jagt durch den unterirdischen Tunnel. Sie trägt mich näher zu … Sie fährt noch schneller. Mir ist schlecht. Zittrige Beine, flattriger Atem, mein Kopf fällt schwer in meine Hände. Ich kann kaum sehen. Menschen stehen um mich herum, wollen nach Hause, ich will es nicht. Heute nicht. Die Durchsage kräht: „Du bist da! Du bist da!“ … ich bin am Arsch. Meine Station. Quietschende Bremsen, aufstehen, wacklige Beine, schwerer Körper, ruckeln, beinahe fallen – Stillstand.
Muffige U-Bahn-Luft wird durch muffige Stationsluft getauscht. Schlechter Tausch. Der Weg rennt unter mir davon. Tobias wartet schon auf mich. Ganz sicher tut er das. Nur noch eine Kreuzung. Kalte Straßenlaterne, Stirn kühlen, Augen schließen, will festfrieren, atmen, lachen, … na dann mal sehen. Vor meinem Haus steht Tobias. Er ist klein und viel zu glücklich. Aber am schlimmsten ist der Käfig unter seinem Arm, von einem Tuch verdeckt. Gequält Hand heben, fallen lassen, lächeln. Herz schlägt, Atmen geht – Kopf aus.
„Hi, Bent! Danke noch mal, dass du sie für mich nimmst. Ich weiß wirklich nicht, was ich sonst gemacht hätte!“ Ich will ihm sein Lächeln aus dem Gesicht schlagen. Augen groß wie Cartoon, kleines Nicken, verzogener Mund, wollte lächeln, sehe Käfig – Käfig – Käfig. „Willst du sie nicht sehen?“ NEIN!
„Nein … nein, bring sie bitte einfach gleich rein.“ Stille. Komische Antwort. Zurückrudern.„… wir wollen sie ja nicht unnötig stressen.“ Haha. Lustig. Ich hab Stress.
„Ja, ja, du hast recht! Ich wusste, dass ich die beiden in gute Hände gebe!“ Hoffentlich umarmt er mich nicht vor Glück. Dann muss ich kotzen. Vor Frust. Wir gehen rein. Tobias hüpft ganz leicht beim Gehen. Ich hoffe, er lässt den Käfig fallen. Seufzen, Abschiedstränen, der Käfig auf dem Esstisch.
„Zeit, sich zu verabschieden.“ Er zieht – Tuch runter, Rascheln und Flattern, Atemnot, fette Vögel, tödliches Gurren, HÜPFEN, AUGEN, UNENDLICHES SCHWARZ, KALTES STARREN, SCHARRENDE KRALLEN, RASCHELNDE FLÜGEL, TOD IN DER LUFT, RENNEN, AUF TOILETTE, POLTERN, KNALLEN – Tür zu.
„Alles gut?“
„Nur Durchfall.“
Ich fühle meinen Körper nicht.
„Geh, wenn du fertig bist.“ Betretene Stille vor der Türe, unschlüssiges Umherwandern und dann geht Tobias, Tür fällt ins Schloss, atme wieder, Tränen auf den Wangen, Vogelstimmen in der Küche – Tauben in meiner Wohnung.
Für immer.
Autorin: Leo Klose studiert Kreatives Schreiben und Texten an der SOPA (School of Popular Arts).