Der Bundeslandpatriot steht morgens um 5 Uhr auf, um seine Viecher auf der 12 Hektar großen Weide durchzuzählen und den Wassertankwagen mit den Salzsteinen zu kontrollieren. Selbstverständlich erledigt er das in seiner wunderschön abgenutzten Plattler Hirschlederhosen mit Federstiel-Stickerei. Das karierte, weiß-blaue Hemd ist dabei in die Lederne gesteckt, die von Hosenträgern gehalten wird. Natürlich dürfen die Haferlschuhe und die dicken Trachtensocken nicht fehlen. Wie an jedem Tag sitzt auf dem Kopf des Bundeslandpatrioten sein Trachtenhut, der mit einem Gamsbart geschmückt ist. Sobald er sieht, dass alle seine Kühe zufrieden grasend auf der Weide stehen und der Tankwagen noch reichlich gefüllt ist, geht er zurück ins Haus und lässt sich von seiner Frau das Frühstück servieren. Die Frau hat sich nur um Kind und Küche zu kümmern, so wie sich das gehört. In Ausnahmefällen hilft sie mal mit im Stall, aber sonst verlässt sie das Haus nur, um einkaufen zu gehen.
Wenn der Bundeslandpatriot irgendwo „hi mog“, dann fährt er mit seinem Traktor los, denn das Auto wird nur für lange Strecken – alles über 30 km – benötigt. Ihm ist dabei egal, wenn er den Verkehr behindert, er fährt stur mit 45 km/h mittig auf der Straße. „Da koan’s hintn hupfen wia’s woin, a echter Bayer hod hoid Zeit und scheißt si nix.”
Für diesen stolzen Bayern ist seine Heimat das Maß aller Dinge und die anderen Bundesländer sind nur billige Kopien. Mit seinem unnachahmlichen Dialekt, der eher wie ein akustischer Frontalangriff klingt, betrachtet er alle anderen Mundarten als unverständlich. Sein Dialekt ist für ihn nicht einfach nur ein Kommunikationsmittel, sondern ein heiliges Erbe, das es zu verteidigen gilt, koste es, was es wolle. Somit ist ihm schlichtweg egal, ob oder wer ihn versteht: Er weigert sich, Hochdeutsch zu sprechen.
Da dem Bundeslandpatrioten Traditionen so wichtig sind, geht er jeden Sonntag um 10 Uhr in die Kirche zum Gottesdienst. Danach wird mit der gesamten Familie ins „Bräustüberl“ eingekehrt, um dort mit genügend Bier und Weißwürsten versorgt zu werden. Wichtig: Dies darf niemals nach 12 Uhr passieren, Weißwürste isst man nicht nach „zwäife“. Dazu wird die erste „Hoibe gsuffa“, denn vier Bier sind auch eine Mahlzeit, ein weiteres seiner Lebensmottos. Das Bier ist sein Lebenselixier. Er kann es „aloa“ oder in einer Gemeinschaft „mitanand“ trinken. Dafür wird abends dann mal der „Bulldog“ rausgeholt, um zur Stammkneipe zu fahren. Dort trifft er sich mit den Stammmitgliedern und bis in die Nacht wird getrunken und philosophiert, mit anderen Worten: “Man koid die Dorf-Gschicht’n aus“.
Doch der Bayer ist anders. Er geht nicht wie die „Voideppn“ aufs Oktoberfest, denn dieses Massenereignis ist ihm viel zu überlaufen und wenig traditionell. “A so a Schmarrn! Sieben Millionen Leit auf da Wiesn, des is hoid koa Festl mehr, des is a Touri-Zirkus!” Und wenn am Hauptbahnhof jeder, sogar Touristen, billige Trachten für 30 € erstehen kann, dann kriegt der Bayer erst recht einen Hals! “So a Verhunzung vom Gwandl” ist für ihn eine Frechheit. Ebenfalls ist es ihm zuwider, dass Tische in den Zelten ein Jahr im Voraus reserviert werden müssen. Und wenn er sieht, wie die Nachwuchsschnösel mit ihren zu teuren Hirschlederhosen, der Rolex am Handgelenk und den Cashmere-Pullovern über den Schultern mit Mamis oder Papis Geld die Sau rauslassen und sich die teuersten Flöten Champagner kaufen, verliert er den Glauben an die Menschheit. Lieber geht er stattdessen auf die altbekannten Waldfeste in der Umgebung, um sich „volllaufen“ zu lassen und mit seinen Schuhplattler- und Goaßlschnalzer-Kollegen eine Show für die Einheimischen hinzulegen. Denn je einfacher, desto “boarischa”!
Mittlerweile sind aber selbst diese bei dem Münchner G‘sindel beliebt. Diese tragen, wie es sich für die Münchner „Schickeria“ gehört, teure und originelle Tracht, da sie vom Aussehen her dazu gehören wollen. Doch der Bundeslandpatriot lässt sich nicht lumpen, er erkennt die „Preißn“ sofort an ihren teuren Handtaschen und den Louis-Vuitton-Card-Holdern. Daher geht er nur noch auf die unbekannten Waldfeste in Schaftlach oder Miesbach, denn dort ist er unter seinesgleichen.
Am allerliebsten wäre es ihm trotzdem, wenn das “Gschwerl” sein schönes Land in Ruhe lassen würde und ihn gleich mit dazu!
Autorin: Cora Krass studiert Kreatives Schreiben und Texten an der AIM (School of Arts, Information and Media).
Titelbild: Victor Krass