Dieses Wort klingt mächtig. Als müsse man es immerzu kursiv schreiben, weil dahinter eine Entdeckung lauert, die nur ehrfürchtig geflüstert werden darf. Dementsprechend frustrierend ist es, dass ich nicht weiß, was es bedeutet. Und ich habe wirklich alles versucht. Ich habe es in seine Silben unterteilt. Re-dun-dant. Ich habe es wiederholt laut vor mich hin gesprochen. Ich habe versucht, es aus dem Kontext zu verstehen. Ja, ich habe sogar diejenigen beobachtet, die es benutzen, in der Hoffnung, ich könnte auf ihren Gesichtern eine direkte Gefühlsregung erkennen. Nichts.
Das Wort klingt intellektuell so hochwertig, dass ich es in Gedanken unfreiwillig mit einem bärtigen, alten Mann in Verbindung bringe, der Pfeife rauchend hinter seinem Schreibtisch sitzt und mit gerunzelter Stirn einen Punkt in der Ferne fixiert. Nach Stunden der ebenso konzentrierten wie schweigsamen Grübelei murmelt er dann langsam nickend und mit zusammengekniffenen Augen: „Redundant.“ Und damit ist alles gesagt.
Dem Internet sei Dank muss ich weder auf das Alter noch auf die Pfeife warten, um seine Erkenntnis zu teilen. Zwölf Minuten dauerte die Recherche und jetzt bin ich um folgendes Wissen schwerer:
Redundant stammt – wie sollte es anders sein – von dem lateinischen Wort redundare. Die genaue Übersetzung ergibt den Begriff überströmen. Der Duden stellt zudem eine Reihe Synonyme zur Verfügung, die ich weitaus aussagekräftiger finde. Dazu gehören mehrfach vorhanden, wiederholt, überzählig, überreichlich und – mein persönlicher Favorit – überflüssig. Ob das Maß an Redundanz allerdings sinnvoll oder eher peinlich ist, bleibt situationsabhängig.
Will man beispielsweise nicht die Person sein, die das Gruppenabschlussprojekt am Tag vor der Abgabe „versehentlich gelöscht“ hat, ist es von Vorteil, mehrere Kopien davon auf verschiedenen Geräten abzuspeichern. Ein redundantes Sicherheitssystem? Verantwortungsbewusst. Versucht man wiederum auf die Mindestzeichenanzahl der Hausarbeit zu kommen und schreibt deshalb Dinge wie „Das Auto war rot. Das Auto war ein Mini. Ein Mini in der Farbe Rot. So war das Auto“, sollte man vielleicht doch lieber die Schriftgröße auf 14 erhöhen. Redundante Informationen? Cringe. Setzt man Wiederholungen jedoch aktiv ein, um etwas Bestimmtes hervorzuheben, steht man schon mit einem Fuß in der Poesie. Redundanz als Stilmittel? Chapeau.
Redundant hat also tatsächlich Grübelpotenzial. Und dennoch: Ich persönlich würde mir das Kopfzerbrechen gerne für die größeren Probleme des Lebens aufsparen und möchte daher ein paar Regeln für den Gebrauch dieses Wortes vorschlagen:
- Wer aus beruflichen Gründen dazu gezwungen ist, seinen Sprachgebrauch an den eines alten, bärtigen Mannes mit Pfeife anzupassen, hat mein volles Mitgefühl und darf das zum Wohle der Menschheit natürlich tun.
- Alle anderen sollten sich auf ein Minimum beschränken, also sagen wir mal maximal zweimal im Jahr.
- Ausnahmefälle: Wenn man eine Diskussion gewinnen will, darf redundant als Ausdruck intellektueller Überlegenheit eingesetzt werden. Bestenfalls in einem möglichst irritierenden Kontext, wie zum Beispiel bei der rhetorischen Frage: „Weißt du eigentlich, wie redundant du bist?“
Ich für meinen Teil habe mit dem Verfassen dieses Textes mein persönliches Limit an Redundanz für die nächsten dreieinhalb Jahre ausgeschöpft. Nichts läge mir ferner, als meine eigenen Regeln zu brechen.
Autorin: Tabea Neu studiert Kreatives Schreiben und Texten an der AIM (School of Arts, Information and Media).