Lyrik schreiben. Pathos?

Erfahrungsbericht 3. Semester

Modul – Lyrik

06.01. – 29.01. 2020

Im letzten Block des 3. Semesters hatten wir Kreatives-Schreiben-Studierenden die Möglichkeit intensiver in die Thematik Lyrik unter Leitung von Dozent und Lyriker Florian Voß einzutauchen. 

Vier Wochen lang beschäftigten wir uns zwei Mal die Woche jeweils zweieinhalb Stunden mit Werken der Lyrik und den Fragen, was ein gutes zeitgenössisches Gedicht auszeichnet, wie heute die Chancen für Gedichts-Publikationen stehen und welche erfolgreichen Lyriker und Lyrikerinnen der Literaturmarkt aktuell zu bieten hat.

Wir schrieben Gedichte, in denen wir unsere Hörsinneindrücke wiedergeben sollten und bekamen die Aufgabe, diesmal nicht zu reimen – denn nicht jedes Gedicht braucht einen Reim. Des Weiteren erforschten wir die etymologische Bedeutung von Wörtern und verwendeten sie sogleich zur Verfeinerung unserer Gedichte, auf die wir uns anschließend stets konstruktive Kritik gaben. Wir nahmen zu aktuellen Gesellschaftsthemen Stellung, denn Lyrik ist nicht nur für Gefühlsäußerungen, sondern auch für politische Statements ein gutes Mittel. 

Zum guten Schluss widmeten wir uns noch den klassischen Reimformen, wie zum Beispiel dem Sonett. Wir lasen im Unterricht Volker von Törnes „Halsüberkopf: Arkadische Tage“, einen Sonettenkranz, der als Meisterwerk eines Sonetts gilt. Danach bekamen wir die Aufgabe ein Sonett zu schreiben, jedoch gab es bei uns weniger strenge Vorlagen. Wir hatten die vorgegebenen Reimschemen von (ABBA, ABBA, CCD, EED) zu erfüllen, sowie die jeweilig vorgegebenen Silbenanzahlen (13/12/12/13 oder 11/10/10/11 bei ABBA und 12/12/13 oder 10/10/11 bei CCD und EED). Die festgeschrieben Hebungen und Senkungen, die ein vollendetes Sonett vorschreibt, sprich die Vorgaben des jambischen Fünfhebers, bei dem die Betonung auf jeder zweiten Silbe liegt, durften wir im Kurs bei unseren Sonettversuchen außer Acht lassen. Laut unserem Dozenten seien acht kurze Lyrik-Schnuppereinheiten zu wenig, um dies zu verlangen. 

Vielleicht bastle ich demnächst an einem perfekten Sonett, anbei findet ihr erstmal mein „nicht perfektes Sonett“, um einen kleinen Eindruck zu bekommen, was durch diesen Kurs entstanden ist. Zum Titel und Thema meines Gedichts möchte ich auch noch ein paar Zeilen anmerken. Im Kurs haben wir uns eindringlich darüber unterhalten, warum man hochtrabende Wörter wie Herz, Seele, Liebe, Gott, Tod etc. besser nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt verwenden sollte. Goethe, Hesse und Schiller haben diese Wörter noch regelmäßig benutzt, doch in unserer Zeit seien diese Ausdrücke etwas abgenutzt, so unserer Dozent. Man sollte versuchen, seine Gedanken und Gefühle durch eigene, nicht zu offensichtliche Wörter und Phrasen auszudrücken. Nun, ich verstehe diesen Punkt und ich kann auch durchaus ohne diese Wörter schreiben, dennoch ist aus kleinem Trotz und mit einem hingebungsvoll pathetischen Augenzwinkern das untenstehende Gedicht entstanden. 

 

Pathos

Pathos. Liebhaber mein. Ungestümer mein. 
Mit Zunge feurig. Überredest mich. 
Mein schnell schlagendes Organ öffentlich.
Oh Pathos, lass das „Oh“ und den Pathos sein.

Doch was soll Leben ohne Leidenschaft sein? 
Ich brenne, glühe. Sieh, heb dein Gesicht! 
Und wenn ich auch verbrenne jämmerlich. 
So war ich wenigstens mal ein Feuerschein. 

Leidenschaft. Etwas, das ich leiden kann. 
Und auch etwas, das ich erleiden kann. 
Pathos, unter deiner Zunge liegt Honig. 

Pathos Leidenschaft, die manch Freude schafft. 
Pathos Leidenschaft, die manch Leiden schafft. 
Pathos, deine Lippen schmecken zitronig.  

Autorin: Claudia A. Schröttner

Foto: Matthew Le June von https://unsplash.com/@matthewlejune https://www.matthewlejune.com

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